Das endgültige Ende der HOAI?
04.07.2019

In dem heute veröffentlichten Urteil konstatiert der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Europarechtswidrigkeit der in der deutschen Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) festgesetzten Mindest- und Höchsthonorare (EuGH, Urteil vom 4. Juli 2019 – C-337/17).

I. Verfahrensgang

Nach Auffassung der Europäischen Kommission hindern die von der HOAI festgeschriebenen Mindest- und Höchstsätze Architekten und Ingenieure aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union am Marktzugang, soweit diese ihre Leistungen nicht zu Preisen unter den für die in Deutschland niedergelassenen Planer festgelegten Mindestsätzen oder höherwertige Leistungen zu Honoraren über den Höchstsätzen anbieten dürften. Dies hat die Kommission zum Anlass genommen, am 23. Juni 2017 beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) eine Vertragsverletzungsklage gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen Verletzung der Niederlassungsfreiheit zu erheben; das Verfahren wird beim EuGH zu Az. C-337/17 geführt.

II. Schlussanträge des Generalanwalts

Nach mündlicher Verhandlung vom 7. November 2018 hat der zuständige Generalanwalt Maciej Szpunar am 28. Februar 2018 die Schlussanträge gestellt (abrufbar unter curia.europa.eu). Nach Auffassung des Generalanwaltes habe die Bundesrepublik Deutsch-land gegen geltendes Europarecht verstoßen, „indem sie Planungsleistungen von Architekten und Ingenieuren durch die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure zwingenden Mindest- und Höchstsätzen unterworfen hat“ (Rz. 113), weil diese Honorarregelungen die Niederlassungsfreiheit behinderten und die Wettbewerbsfähigkeit von Planern aus anderen Mitgliedstaaten einschränkten (Rz. 37 – 43). Diese Beschränkungen seien nicht gerechtfertigt, auch nicht unter den von der Bundesrepublik Deutschland vorgebrachten Argumenten der Sicherung der Qualität der Planungsleistungen, des Verbraucherschutzes, der Bausicherheit, der Erhaltung der Baukultur, des ökologischen Bauens und der Sicherung eines hohen Qualitätsstandards.

III. Das Urteil des EuGH

III.1 Unwirksamkeit der Mindestsätze

In den Urteilsgründen führt der EuGH aus, dass die HOAI-Mindestsätze zwar weder eine direkte noch eine indirekte Diskriminierung enthielten (Rn. 68) und dass sie grundsätzlich geeignet seien, zwingende Gründe des Allgemeininteresses sicherzustellen, namentlich den Verbraucherschutz, den Erhalt der Baukultur und des ökologischen Bauens, des kulturellen und historischen Erbes und des Umweltschutzes (Rn. 70-88). Allerdings seien die Mindestsätze der HOAI 2013 gleichwohl nicht geeignet, weil die HOAI nicht selbst Mindestgarantien vorschreibe, die die Qualität der Architekten- und Ingenieurleistungen gewährleisten können. Mit anderen Worten: Die in der HOAI 2013 vorgesehenen Mindestsätze seien nicht geeignet, „die Erreichung des Ziels einer hohen Qualität der Planungsleistungen zu gewährleisten und den Verbraucherschutz sicherzustellen“.

III.2 Unwirksamkeit der Höchstsätze

Nach dem Urteil des EuGH seien die geltenden HOAI-Höchstsätze zwar zum Schutze der Verbraucher geeignet, jedoch unverhältnismäßig, weil es weniger einschneidende Maßnahmen gäbe, um die Transparenz der Architekten- und Ingenieurleistungen herzustellen, wie z.B. Preisorientierungen (Rn. 94f.).

IV. Auswirkungen auf die geltende HOAI

Das der Klage stattgebende Urteil entfaltet zunächst nur Rechtswirkungen zwischen der Eu-ropäischen Kommission und der Bundesrepublik Deutschland, die das Urteil umsetzen muss. Der Verordnungsgeber muss entscheiden, ob und in welchem Umfang er die HOAI aufrecht halten kann. Erfolgt die Umsetzung des der Klage stattgebenden Urteils verspätet oder unzureichend, kann die Kommission beim EuGH die Festsetzung (empfindlicher) Zwangsgelder beantragen.

V. Auswirkungen auf bestehende Verträge

Die Verbindlichkeit der HOAI-Mindest- und Höchstsätze in § 7 Abs. 1 HOAI bleibt zwar bis zu einem Tätigwerden des Verordnungsgebers weiterhin geltendes Recht, jedoch werden Planer ggf. höhere Mindestsätze und Auftraggeber eine etwaige Beschränkung des vereinbarten Honorars auf die Höchstsätze gerichtlich nicht mehr geltend machen können, da die nationalen Gerichte § 7 Abs. 1 HOAI wegen des Verstoßes gegen Art. 15 der EU-Dienstleistungsrichtlinie nicht länger anwenden dürfen. Für bestehende Verträge bleiben die übrigen Vorschriften der HOAI indes grundsätzlich weiterhin anwendbar, da diese nicht Gegenstand des Vertragsverletzungsverfahrens waren.

Ob und in welchem Umfang die HOAI aufrecht erhalten bleibt, werden wir gesondert aufgreifen.

Für eventuelle Rückfragen stehen wir selbstverständlich gerne zur Verfügung.

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