Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrechts sowie im Miet- und Pachtrecht vom 22.12.2020

in Kraft getreten am 31.12.2020

11.01.2021

Aus dem ursprünglichen „Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens“ wurde im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens der etwas sperrig formulierte „Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrechts sowie im Miet- und Pachtrecht“ (BT-Drucks. 19/21981 und 19/22773) mit den Beschlüssen des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (BT-Drucks. 19/25251). Aus immobilienrechtlicher Sicht soll das Gesetz die Position der gewerblichen Mieter/Pächter stärken, die anlässlich der staatlichen Beschränkungen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie besonders betroffen sind. Die Auswirkungen sollen nicht mehr nur noch von den Mietern/Pächtern geschultert werden, sondern auch zulasten der Vermieter gehen.

Der Gesetzgeber demonstriert weiter Handlungsfähigkeit während der COVID-19-Pandemie und winkt dabei fast unbemerkt und etwas versteckt den vorgenannten Gesetzesentwurf mit mehreren Einzelregelungen durch, dem buchstäblich erst in letzter Sekunde die im Folgenden darzustellenden für die mietrechtliche Praxis – zumindest vordergründig – äußerst interessanten Normen angefügt worden sind.

Das aktuelle Gesetz enthält nunmehr die Regelung, dass die Grundsätze der Störung der Geschäftsgrundlage in der besonderen Situation der COVID-19-Pandemie – anders als bisher in der Jurisprudenz mehrheitlich vertreten – grundsätzlich anwendbar sind (vgl. Art. 10 des Gesetzes). Der zu Beginn der Pandemie im März 2020 durch das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie eingefügten Art. 240 EGBGB wird dazu um den neuen § 7 ergänzt indem es heißt:

„Sind vermietete Grundstücke oder Räume, die keine Wohnräume sind, infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19 Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar, so wird vermutet, dass sich insofern ein Umstand im Sinne des § 313 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, der zur Grundlage des Mietvertrags geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend geändert hat.

Führen staatliche Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie also zu erheblichen Einschränkungen des Betriebes des gewerblichen Mieters/Pächters, so vermutet das Gesetz darin künftig einen Umstand, der zu einer Anpassung des Miet-/ Pachtvertrages aufgrund der Störung der Geschäftsgrundlage führen kann (§ 313 BGB). Dies zieht jedoch nicht per se die Rechtsfolge der Vertragsanpassung nach sich. Die gesetzliche Vermutung gilt nur für das sogenannte reale Merkmal des § 313 Absatz 1 BGB, dass sich also ein Umstand, der zur Grundlage des Mietvertrags geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat. Die weiteren Merkmale des § 313 Absatz 1 BGB, also (1) die Hypothese, dass bei Kenntnis dieser Veränderung die Vertragsparteien den Vertrag nicht oder nicht so geschlossen hätten (hypothetisches Element) und (2) einer Partei unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann (normatives Element), bleiben unberührt; Im Streitfall ist ihr Vorliegen also durch die Partei, die sich auf die Regelung beruft, darzulegen und zu beweisen.

Einhergehend damit hat der Gesetzgeber ein Vorrang- und Beschleunigungsgebot für Verfahren über die Anpassung der Miete oder Pacht für Grundstücke und Räume eingefügt, um für von staatlichen Maßnahmen betroffenen Mietern/Pächtern schnell Rechtssicherheit zu verschaffen. Mit Artikel 1 des Gesetztes wurde demgemäß folgende neue Regelung als § 44 EGZPO eingefügt:

㤠44 Vorrang- und Beschleunigungsgebot

 (1) Verfahren über die Anpassung der Miete oder Pacht für Grundstücke oder Räume, die keine Wohnräume sind, wegen staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19 Pandemie sind vorrangig und beschleunigt zu behandeln.

 (2) Im Verfahren nach Absatz 1 soll ein früher erster Termin spätestens einen Monat nach Zustellung der Klageschrift stattfinden.“

Das Beschleunigungsgebot soll auch für solche Rechtsstreitigkeiten gelten, in denen Mieter/ Pächter die Anpassung der Miete/ Pacht als Einrede gegen die Zahlungsklage des Vermieters/ Verpächters erheben oder andere Anspruchsgrundlagen wie etwa die Mietminderung für die Anpassung der Miete im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie herangezogen werden. In diesen Verfahren soll ein früher erster Termin spätestens einen Monat nach Zustellung der Klageschrift stattfinden und es sollen auch während des Prozesses grundsätzlich enge Fristsetzungen erfolgen.

Die Vermutungsregelung und das Beschleunigungsgebot traten am 31. Dezember in Kraft (vgl. Art. 14 Abs. 2 des Gesetzes). Die Vermutungsregelung gilt ausweislich der Gesetzesbegründung ausdrücklich auch für vergangene Sachverhalte, die noch nicht durch Urteil entschieden oder individualvertragliche Vereinbarung geregelt worden sind. Die Vermutungsregelung tritt sodann mit Ablauf des 30. September 2022 wieder außer Kraft. Dies folgt aus Artikel 6 Absatz 6 des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht (BGBl. I, S. 569), nach dem Artikel 240 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche befristet bis zum Ablauf des 30. September 2022 gilt

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Dr. Daniel W. Hornschuh

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