BGH kappt Rettungsanker der Schriftformheilungsklausel für Mietverträge
16.11.2017

Die Entscheidung:

Der BGH hat mit seinem kürzlich veröffentlichten Urteil vom 27. September 2017 entschieden, dass so genannte Schriftformheilungsklauseln mit der nichtabdingbaren Vorschrift des § 550 BGB unvereinbar und daher unwirksam sind. Sie können deshalb für sich genommen Vermieter oder Mieter nicht daran hindern, einen Mietvertrag unter Berufung auf einen Schriftformmangel ordentlich, also mit einer Kündigungsfrist von nur 6-9 Monaten, zu kündigen.

Obwohl auch noch in der jüngeren Vergangenheit die wohl herrschende Auffassung in der obergerichtlichen Rechtsprechung (OLG Braunschweig, NZM 2016, 197, (200); OLG Frankfurt, ZMR 2015, 709, (712); OLG Dresden, ZfIR 2017, 321, (323) und OLG Köln, Urteil vom 18. September 2015 – 1 U 28/15) derartige Klauseln noch für wirksam erachtete, hatte der BGH bereits Anfang 2014 (BGH, Urteil vom 22. Januar 2014 – XII ZR 68/10) entschieden, dass Schriftformheilungsklauseln einen Grundstückserwerber, der in das Mietverhältnis kraft Gesetzes eintritt, nicht binden.

Mit der nunmehrigen Entscheidung ist der 12. Zivilsenat noch einen Schritt weiter gegangen und erklärt Schriftformheilungsklauseln für generell unwirksam. Es kommt mithin nicht einmal darauf an, ob der Klausel ein Wohnungs- oder Gewerberaummietvertrag zugrunde liegt oder ob die Klausel individuell vereinbart oder ob sie als Allgemeine Geschäftsbedingung einseitig gestellt worden ist. Der Senat begründet die Entscheidung damit, dass von dem Schutzzweck des § 550 BGB nach ständiger Rechtsprechung nicht nur der in das Mietverhältnis eintretende Erwerber, sondern auch die ursprünglichen Vertragsparteien umfasst seien. § 550 BGB diene nämlich einerseits dazu, dem Erwerber die Möglichkeit zu geben, sich über die wesentlichen Bestandteile des Mietvertrages zu informieren, anderseits aber auch dazu, die Beweisbarkeit langfristiger Abreden zwischen den ursprünglichen Vertragsparteien zu gewährleisten und diese vor der unbedachten Eingehung langfristiger Bindungen zu schützen. Diese Rechtsprechung stehe auch im Einklang mit dem gesetzgeberischen Willen, da die Vorgängervorschrift des heutigen § 550 BGB (§ 566 BGB) im Zuge der Mietrechtsreform von 2001 nur redaktionell geändert und gerade nicht auf den Schutz des Erwerbers beschränkt worden sei.

Mit Blick auf diesen Schutzzweck seien Schriftformheilungsklauseln mit dem nicht abdingbaren § 550 BGB unvereinbar. Schriftformheilungsklauseln führten dazu, dass die Vertragsparteien de facto an eine nicht schriftliche Vereinbarung für die volle Vertragslaufzeit gebunden würden. Dadurch würde der von der Vorschrift mit beabsichtigte Übereilungsschutz ausgehöhlt und die wichtige Warnfunktion weitgehend leerlaufen. Dem ließe sich auch nicht entgegenhalten, dass Schriftformheilungsklauseln dem allgemein bekannten Rechtsgrundsatz „pacta sunt servanda“ überhaupt erst zur Geltung verschaffen würden. Der Gesetzgeber habe mit § 550 BGB ganz bewusst die Vertragsfreiheit dahingehend eingeschränkt, dass langfristige Mietverträge der Schriftform bedürfen. Fehle es an der zwingenden Voraussetzung „Schriftform“, bestehe von Gesetzes wegen kein langfristiges Mietverhältnis, welches es zu bewahren gälte.

Dessen ungeachtet war die von dem Senat zu beurteilende Kündigung des Vermieters – in dem konkreten Fall – unwirksam. Dies begründete er mit einem Verstoß gegen die Grundsätze von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB. Der Vermieter hatte eine ihm allein günstige, aber nicht schriftlich geschlossene Vereinbarung mit dem Mieter zum Anlass genommen, den ihm inzwischen lästig gewordenen Mietvertrag zu kündigen.

Die Auswirkungen auf die Praxis:

Die Entscheidung ist für die gesamte Immobilienbranche, insbesondere für Vermieter, Mieter und Investoren, von höchster Relevanz. Der Rettungsanker in Form einer Schriftformheilungsklausel ist nahezu in jedem langfristigen Gewerberaummietvertrag enthalten und bot seit 2014 zumindest den Vertragsparteien einen durchaus ernst zu nehmenden Schutz vor Kündigungen wegen Schriftformmängeln. Seit dem 27. September 2017 ist dieser Schutz generell aufgehoben und die Hoffnung, die Unwirksamkeit einer Kündigung aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) abzuleiten, steht auf keinem stabilen Fundament. Dies gilt insbesondere angesichts der Tatsache, dass § 242 BGB immer nur eine der beiden Vertragsparteien vor einer Kündigung schützt.

Die damit einhergehenden Risiken liegen auf der Hand: Eine beispielsweise in den letzten Jahren arglos und in dem falschen Gefühl der Absicherung über die Schriftformheilungsklausel geschriebene E-Mail über die Änderung von der Betriebskostenvorauszahlung hin zu einer Pauschale, führt zu dem akuten Risiko einer ordentlichen Kündigung. Der Teufel liegt dabei wie so oft im Detail und es kann nur der Rat wiederholt werden: Im Zweifel immer einen schriftlichen Nachtrag vereinbaren. Im schlimmsten Fall ist dieser Nachtrag überflüssig, aber die Laufzeit des Mietvertrages und die damit zusammenhängenden Erträge bleiben gesichert.

Bei dem Umgang mit nunmehr auftauchenden Schriftformmängeln stellt sich sodann die Gretchenfrage: Thematik offen ansprechen und eventuell schlafende Hunde wecken oder abwarten und auf eine günstige Gelegenheit warten. Gerne beraten wir Sie dabei!

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Dr. Daniel W. Hornschuh

Rechtsanwalt, Senior Associate

Immobilienrecht und Baurecht

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